Wie gehe ich mit Fehlgeburten um?
Wie gehe ich mit Fehlgeburten um?

Wie gehe ich mit Fehlgeburten um?

Wie gehe ich mit Fehlgeburten um?

20 bis 30% aller Schwangerschaften enden tragisch. Die Babys entwickeln sich nicht weiter und werden nicht geboren. Für Eltern ist der Tod ihres ungeborenen Kindes ein schreckliches Erlebnis, für viele ist er traumatisch. Mein Mann und ich haben insgesamt sechs frühe Fehlgeburten erlitten. In diesem Blog-Beitrag möchte ich Hilfestellungen im Umgang mit Fehlgeburten aufzeigen.

Wie schaffe ich es, Abschied von einem gestorbenen Baby zu nehmen?

Letztlich kann man sich von einem Menschen, den man geliebt hat, niemals wirklich verabschieden. Wie klein dein Baby auch war, es war ein kleines Menschlein, das für einen kurzen Moment oder auch über viele Wochen und Monate gelebt hat, das vielleicht für eine paar Stunden, eine paar Tage oder sogar für ein paar Wochen auf dieser Welt war. Leider musstest du dieses kleine Menschlein gehen lassen, auch wenn du alles getan hast, um es festzuhalten.

Für mich ist es wichtig, allen Frauen und ihren Partner*innen mit auf den Weg zu geben, dass die Trauer vollkommen in Ordnung ist.  Die Trauer darf, sie muss sein, du darfst trauern. Was andere sagen, ist belanglos. Du hast dein Kind verloren, auf das du so lange gewartet, auf das du dich schon so sehr gefreut hast. Dein Baby ist gestorben und damit ein Teil von dir. Deine Welt ist zusammengebrochen, die du nun langsam wieder zusammenflicken musst. Das Schlimme ist, dass Fehlgeburten nach wie vor ein Tabuthema sind. Oftmals verhalten sich Menschen den Trauernden gegenüber so, als hätten sie kein Recht zu trauern, was in dieser Situation schier unerträglich ist. Trotzdem solltest du als Betroffene das Thema nicht verschweigen und auch nicht verdrängen.

Wie kann ich der Trauer begegnen?

Was kannst du tun, um mit deinem Schmerz fertig zu werden? Ich glaube, es ist wichtig, das Baby nicht zu vergessen und dem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Jede und jeder muss für sich entscheiden, was ihr und ihm hilft.

Rituale

Da gibt es unterschiedliche Rituale, die dich mit deinem gestorbenen Baby verbinden. Wir haben zum Beispiel nach unserer dritten und für mich schlimmsten Fehlgeburt in einer Kirche auf Juist für jedes Sternenkind eine Kerze angezündet. Für jedes gestorbene Kind haben wir einen Engel gekauft. Alle Engel haben nach wie vor ihren festen Platz auf dem Schrank in meinem Büro – neben den Fotos von uns und unseren lebenden Kindern. Was auf den ersten Blick vielleicht merkwürdig erscheinen mag, ist, dass es total schön ist, dass mein Mann die Todesdaten unserer Sternenkinder in unseren gemeinsamen Familienkalender eingetragen hat. In jedem Jahr werden wir von Neuem an unsere Sternenkinder erinnert. Wenn mich der Kalender erinnert, reißt es mich jedes Mal für eine Sekunde aus meinem Alltag raus, konfrontiert mich mit den Gefühlen der Trauer und des Verlustes, die ich ehrlich gesagt eigentlich nicht unerwarteterrweise auf mich einstürmen lassen möchte. Aber wenn diese erste Abwehrhaltung vorbei ist, bin ich froh, erinnert worden zu sein, erinnert an unsere so sehr gewünschten Kinder, die nicht bei uns auf dieser Welt sein können. Ich bin froh, dass dieser Eintrag meines Mannes mir und uns hilft, sie nicht zu vergessen und uns an die besondere Zeit der Schwangerschaft für eine Weile zu erinnern.

Orte

Für viele Eltern von Sternenkindern ist es wichtig, einen Ort zu haben, an dem sie ihr Sternenkind besuchen können. Wenn Babys sehr früh sterben, ist es nicht möglich, sie zu bestatten. Zum Glück hat teilweise ein Umdenken im Hinblick auf vor der Geburt verstorbene Babys stattgefunden, sodass in vielen Gemeinden und Städten Gemeinschaftsgräber für in der Frühschwangerschaft verstorbene kleine Menschen eingerichtet wurden. Die Eltern haben die Gelegenheit zu diesen Orten zu gehen, dort an ihre Kinder zu denken, mit ihnen zu sprechen, für sie zu beten und kleine Geschenke für sie zu hinterlegen. Für uns war es von Anfang an sehr wichtig, zu der „Grabstätte für das ungeborene Leben“ auf dem Mauritz-Friedhof in Münster zu gehen. An einem Abend war ich so außer mir, dass ich um Mitternacht noch dorthin geradelt bin, um unserem Sternenkind ein Gedicht vorbeizubringen.

Gegenstände

Du kannst Erinnerungsstücke aufbewahren und bei ihrer Betrachtung in Verbindung mit deinem Baby bleiben. Leider bleiben den Eltern nicht viele Erinnerungsstücke, wenn das Baby in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft verstorben ist. Ultraschallbilder, Fotos, Hand- und Fußabdrücke oder vorbereitete Spielsachen und Kleidungsstücke sind wichtige Gegenstände des Erinnerns.

Rituale, Orte und Gegenstände der Erinnerung  hängen oft sehr stark miteinander zusammen.

Gemeinsame Trauer mit dem Partner/der Partnerin

Jetzt kommen wir zu einem etwas schwierigen Thema: der gemeinsamen Trauer. Ich bin absolut kein Fan der Tradierung von Geschlechterklischees. Und ich kann auch nur von meiner Partnerschaft und davon, was ich über den unterschiedlichen Umgang mit Fehlgeburten seitens einiger betroffener Frauen und Männer gehört habe, sprechen. Mein Mann war immer sehr traurig, aber er hat nicht so sehr getrauert wie ich. Und das hat immer zu tiefgreifenden Konflikten gefühlt. Das gemeinsame Trauern mit dem Partner/der Partnerin ist wichtig und kann eine Hilfe sein. Vielleicht ist es manchmal nicht zu realisieren. Viele Männer bauen erst nach der Geburt eine Beziehung zu ihrem Kind auf, Frauen schon während der Schwangerschaft. Vielleicht ist das die Erklärung.

Trotzdem sollten beide versuchen, miteinander im Gespräch zu bleiben. Wenn ihr beide eine Fehlgeburt erlitten habt, solltet ihr versuchen, über eure Gedanken und Gefühle zu reden.

Gespräche mit Freund*innen (ab hier weiter korrigieren!)

Gerade wenn du dich von deinem Partner nicht verstanden fühlst aber auch sonst, ist der Austausch mit Freund*innen aus meiner Sicht total wichtig. Viele Frauen verschweigen ihre Kinderwunschbehandlung und ihre Fehlgeburten. Mir hat es immer sehr geholfen, einige wenn auch wenige Freundinnen an meiner Seite zu haben. Als wir zum ersten Mal nach Prag gefahren sind, war es so schön, dass sich drei gute Freundinnen immer wieder nach mir und unserem Vorhaben erkundigt haben. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben.

Kreativität

Die Kreativität ist auch ein wichtiges Mittel, um sich dem Schmerz bewusst zu stellen. Ich habe immer über unsere Kinderwunschzeit und damit auch über unsere Fehlgeburten geschrieben. Es gibt vielfältige Ausdrucksformen, um mit den Herausforderungen dieser Zeit umzugehen und auch die Verluste zu verarbeiten. Mir hat das Schreiben sehr geholfen. Dir hilft vielleicht das Malen oder dich musikalisch auszudrücken. Es ist wichtig, der Trauer Ausdruck zu verleihen und sie zu verarbeiten.

Psychotherapie

Selbstverständlich ist es sinnvoll, dass du dir Hilfe bei einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuthen suchst. Ich würde darauf achten, dass er oder sie mit dieser Thematik vertraut ist und dass du dich bei ihm oder ihr gut aufgehoben fühlst.

Austausch mit anderen Eltern von Sternenkindern

Was ich zu wenig gemacht habe, weil ich immer auf der Überholspur war, ist der Austausch mit anderen Betroffenen. Ich finde dies total wichtig und hilfreich. Mittlerweile gibt es viele Selbsthilfegruppen. Gerade die direkte Interaktion mit anderen Sternenkindeltern kann so unterstützend sein. Viele Frauen tauschen sich auch in Internetforen aus, was ihnen in dieser schweren Zeit sehr hilft. Ich persönlich habe das sporadisch praktiziert, einerseits fand ich den Austausch hilfreich, andererseits kam ich aber nicht so gut mit der Anonymität klar.

Distanz zu unempathischen Menschen

Leider sind viele Menschen in unserer Gesellschaft nicht empathiefähig, aber das ist nicht mein Problem. Entgegen der Meinung einer Therapeutin, mit der wir nach unserer allerletzten Fehlgeburt gesprochen haben, bin ich nicht der Meinung, dass ich diejenige sein sollte, die den Leuten Verständnis beibringen sollte. Hey, ich habe mein Baby verloren, meine Welt ist aus den Fugen geraten. Wer das nicht versteht, auf dessen Gesellschaft kann ich verzichten. Der muss dann eben in den „Schrank“. Vielleicht wird die Schranktür ja irgendwann wieder geöffnet….

Ursachenforschung

Der Gedanke, dass du alles versucht hast, um dein Baby vor dem Sterben zu retten, dass es nicht in deiner Macht lag, den Tod zu verhindern, kann sehr entlastend und befreiend sein. Leider geben sich viele Frauen nach wie vor die Schuld am Verlust des Kindes. Sie müssen dann zusätzlich zu der Trauer auch noch mit ihren Schuldgefühlen fertig werden.

Gerade dann, wenn eine Frau mehr als eine Fehlgeburt erleiden muss, finde ich es wichtig und hilfreich, den Ursachen auf den Grund zu gehen, soweit es möglich ist. Dies ist wichtig, um sich nicht so ausgeliefert zu fühlen und um bei weiteren Versuchen entsprechende medizinische Maßnahmen ergreifen zu können. Schließlich ist die neue Hoffnung auf ein anderes Baby sehr entscheidend, um wieder Zuversicht zu gewinnen.

Das Sternenkind ist ein Teil des Lebens

Viele Eltern betonen, dass das gestorbene Baby immer irgendwie ein Teil des eigenen Lebens bleiben wird. Ich selbst habe mir erst nach und nach diese Denkweise angeeignet. Nach unserem letzten Verlust eines Babys hat mir erstaunlicherweise die Umgangsweise unserer drei lebenden Kinder mit dem gestorbenen Baby sehr geholfen. Alle Drei sind so natürlich und ungezwungen mit dieser Geschichte umgegangen. Sie reden in bestimmten Momenten über ihr gestorbenes Geschwisterchen, haben es von selbst als „gestorbenes Baby“ bezeichnet, weinen, widmen sich dann aber auch wieder ihren Spielen zu und sind wieder fröhlich. Mein Sohn hat im Kinderzimmer „Gräber“ für alle unsere Sternenkinder gestaltet, hat darauf bestanden, einen Engel zu kaufen, als ich selbst noch gar nicht dazu in der Lage war. Meine Tochter hat mir ein Baby aus Lego gebaut, meine andere Tochter hat mir ein Bild gemalt, auf dem das Sternenkind zusammen mit unseren drei lebenden Kindern, meinem Mann und mir abgebildet ist. Sie kommen immer mal wieder zu mir, um mit mir über das gestorbene Baby zu reden und um mir zu sagen, dass sie traurig sind. Besonders berührt hat mich, dass mein Sohn meinte, das Baby sei zwar nicht mehr bei uns, aber für immer in meinem Herzen. Und es sei in das „Babyland“ gegangen. Ich wünschte, andere Menschen würden so mit dem Verlust eines ungeborenen Kindes umgehen, wie unsere drei tollen Kinder dies tun.